Allerliebste Schwester by Wiebke Lorenz

Allerliebste Schwester by Wiebke Lorenz

Autor:Wiebke Lorenz [Lorenz, Wiebke]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blessing Verlag
veröffentlicht: 2010-04-18T22:00:00+00:00


Um zehn vor drei erreicht das Taxi den Sandtorkai in der Hafencity. Eva hat ihr Auto zu Hause gelassen. Für den Fall, dass Tobias schon früher aus der Agentur zurückkehrt, wird sie sagen, sie sei ein wenig spazieren und danach in der Sauna gewesen. Eine große Sporttasche mit Handtuch und Duschutensilien hat Eva in der Papiertonne vorm Haus versteckt, sie zwischen einen Stapel Zeitungen geschoben. Sie wird sie holen, bevor sie hinein geht. Ihr Handy liegt ausgeschaltet in der Küche, sie hat wohl aus Versehen vergessen, es mitzunehmen.

Eva wandert eine Weile umher, will erst um kurz nach drei bei Simon klingeln. Die Hafencity, für Architekten ein Traum der Stadtentwicklung, für lebende Menschen ein Alptraum aus Beton. Nirgends blüht etwas, die Magellan-Terrassen sind eine einzige riesige graue Fläche, ideal für Skateboard-Kids, die hier unter lautem Klackern, das von den Wänden der Gebäude widerhallt, ihre Kunststücke probieren. Sterile Cafés, im neuen Museumshafen dümpeln träge ein paar Boote vor sich hin, überall Baukräne, Absperrungen und Flatterband. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn der spröde Glanz der Neubauten verblasst ist, wenn sich hier und da etwas Unkraut durch den Asphalt gegraben hat, wird dieser Ort etwas Heimeliges bekommen. Doch jetzt pfeift der Wind eisig kalt durch die Häuserschluchten, Eva zieht ihren Mantel enger um sich und beobachtet ein paar Touristen, die von einem Guide durch das Areal geführt werden.

Ihre Hand zittert leicht, als sie ein paar Minuten später den Klingelknopf drückt. Sie betrachtet ihr Spiegelbild in der gläsernen Eingangstür, fährt sich noch einmal durch die Haare, die sie heute offen trägt. Passend zu ihren Augen hat sie sich die Ohrringe mit blauen Swarovski-Steinen angesteckt, sie hat Make-up aufgelegt, so sorgfältig wie schon lange nicht mehr.

Die Gegensprechanlage knackt. »Hallo?«, erklingt Simons Stimme.

»Eva hier!«

»Mit dem Fahrstuhl ins oberste Stockwerk«, sagt er, dann ertönt der Türsummer. Mit dem Lift schießt Eva in die Höhe. Die Schiebetüren öffnen sich. Simon steht bereits da, hat sie erwartet. Er trägt Jeans, einen weißen Pullover, unter dem ein blauer Hemdkragen hervorblitzt.

»Hallo.« Sein Lächeln ist ein wenig unsicher wie schon bei ihrem ersten Treffen vor der Alten Post. Er beugt sich zu ihr vor und küsst sie auf beide Wangen. »Du siehst toll aus.«

»Danke. Und auch Hallo«, erwidert sie. Simon führt sie vom Fahrstuhl durch eine Tür, und sie betreten ein lichtdurchflutetes Loft. Er bedeutet Eva mit einer Geste, dass er ihren Mantel nehmen will, hilft ihr heraus und hängt ihn mit einem Kleiderbügel an einen Haken neben der Tür. Eva sieht sich neugierig um. »Hier wohnst du also«, stellt sie fest.

Er nickt und lächelt. »Wenn man das Wohnen nennen kann. Ich bin nicht wirklich eingerichtet.« Er führt sie durch den großen Raum, der tatsächlich etwas steril wirkt. Alles ist weiß, die lederne Sitzgarnitur vor den großen Panoramascheiben mit Aussicht über die gesamte Hafencity. Die offene Einbauküche mit Hängeschränken und Milchglasscheiben, hinter denen es noch völlig leer zu sein scheint. Ein großer, mit Klavierlack überzogener Esstisch, passend dazu sechs weiße Stühle. Auch Simon selbst fügt sich mit seinem weißen Pullover harmonisch in dieses Bild.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.